Das Herzstück des agilen Arbeitens kompakt erklärt.
Selbst Führungskräfte, die (noch) nicht wissen, was agile Teams sind, möchten sie gerne haben. Versprochen. Denn agile Teams setzen auf der nächsthöheren Organisationsebene das um, was oft schon im Bewerbungsprozess abgefragt wird: Wie (selbst)organisiert sind Sie? Nicht umsonst werden agile Teams auch als selbstorganisierte Teams bezeichnet und umgekehrt.
Ein zentrales und grundlegendes Muster in allen agilen Methoden ist die Fähigkeit, sich selbst zu organisieren und nicht umsonst sind selbstorganisierte Teams eines der Grundprinzipien des Agilen Manifests und ein unersetzlicher Baustein bei der agilen Organisationsentwicklung.
Was bedeutet es also, wenn Teams sich selbst organisieren, wenn sie agil sind? Wie können Führungskräfte dabei unterstützen? Welche Vorteile bieten selbstorganisierte Teams und gibt es auch Nachteile?
All dies erfahren Sie in diesem Blogbeitrag.
Was ist ein agiles Team?
Je komplexer Aufgaben, je disruptiver die Branche und je unplanbarer der Arbeitsalltag, desto wichtiger werden selbstorganisiertes Arbeiten und agile Teams. Denn autoritäre Führung ist – neben vielen anderen Stolpersteinen, die sie in der VUKA-Welt mit sich bringt – schlicht zu starr und zu langsam. Als Führungskraft können Sie nicht auf jede neue Entwicklung innerhalb eines Projekts reagieren, ohne sich zu verzetteln.
Agile Teams bilden also einen eigenen Kosmos, der autark funktionieren kann. Kontrolle und Verantwortung sind auf viele Schultern verteilt. Der Grad der Selbstorganisation variiert dabei, ist nie „schwarz-weiß“ oder „ja-nein“. Verallgemeinernd könnte man drei Stufen differenzieren:
Auf der niedrigsten Stufe entscheiden die Teammitglieder eigenständig, wie sie ihre Arbeit am besten erledigen. Der Fokus liegt auf dem „Wie“.
Auf der zweiten Stufe entscheiden die Teams zusätzlich über die Qualität der Arbeitsinhalte, setzen also eigene Standards und kontrollieren sich selbst.
Auf der dritten Stufe agiert das Team eigenständig unternehmerisch und entscheidet über die eigenen Arbeitsinhalte, Ziele und die Art der Bearbeitung. Die Führungsrollen sind flexibel auf verschiedene Personen aufgeteilt.
Wichtig ist, festzuhalten, dass hier nicht Stufe 3 die beste und Stufe 1 die schlechteste Variante ist. Es ist keine Leiter, die Ihr Unternehmen oder Team erklimmen muss. Denn je nach Unternehmens- oder Teamkontext ist eine andere Stufe der Selbstorganisation passend. Die entscheidende Frage lautet daher immer: Wie viel Selbstorganisation ist für ein Unternehmen gut und wie viel ist überhaupt notwendig?
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Merkmale agiler Teams
Agile Teams haben laut der Beraterin und Führungskräfte-Expertin Svenja Hofert folgende fünf Merkmale:
Teamentscheidungen
Keine disziplinarischen Vorgaben
Visualisierung des Workflows
Iteratives Vorgehen
Retrospektiven und Daily Stand-ups
Der Autor und Berater Andreas Diehl formuliert hingegen sogar zehn:
Agile Teams:
... arbeiten kundenzentriert
... haben ein Produkt
... sind crossfunktional und divers
... schaffen Wert
... sind diszipliniert und fokussiert
... lernen zusammen
... sind klein
... sind selbstorganisiert und autonom
... sind entscheidungsfähig
... kennen ihren „Reason Why“
Eine einheitliche und starre Definition gibt es also nicht (und würde auch nicht zur Agilität passen). Man kann aber festhalten: Ein agiles Team steuert sich selbst und folgt dabei einer gemeinsamen Vision. Es trifft die für operative Prozesse notwendigen Entscheidungen selbst. Die zugrunde liegende Idee der Agilität ist, dass Entscheidungen dort getroffen werden, wo auch die Kompetenzen vorhanden sind. Durch die Einbeziehung in den Entscheidungsprozess sind alle Beteiligten mit den Argumenten und dem Für und Wider vertraut und tragen die Entscheidungen mit (was bei hierarchischen Entscheidungen oft nicht der Fall ist). Empathie in der Kommunikation und gegenseitige Unterstützung und Kooperation prägen das Verhalten in agilen Teams.
„Die Stärke des Teams ist jedes einzelne Mitglied. Die Stärke eines jeden Mitglieds ist das Team." (Phil Jackson)
Beispiele eines agilen und selbstorganisierten Teams in der Praxis
Ein bekanntes Beispiel für selbstorganisierte Teams liefert das Unternehmen Buurtzorg. Die Non-Profit-Organisation wurde 2006 von Jos de Blok und vier Kollegen als Gegenbeispiel zum ineffektiven Gesundheitswesen in den Niederlanden gegründet. Ihre Mottos sind „Menschlichkeit vor Bürokratie“ und „We don’t deliver care, we solve problems“.
Bei Buurtzorg gibt es selbstorganisierte Pflegeteams ohne Hierarchien, die u. a. selbstständig über Budget und Neueinstellungen entscheiden dürfen. Zwar sind die Kosten pro Stunde durch das selbstorganisierte System gestiegen, aber für die Pflege der Personen sind insgesamt weniger Stunden nötig. Es wurde ausgerechnet, dass das Gesundheitssystem in den Niederlanden 40% der aktuellen Kosten einsparen könnte, wenn es das Buurtzorg-System übernehmen würde. Buurtzorg startete in 2018 eine Pilotphase in Deutschland, musste sich aber Anfang 2022 zunächst wieder zurückziehen.
Agile Teams führen
Agile Teams entstehen nicht dadurch, dass die Führungskraft es „anordnet“. Sie brauchen die passenden Rahmenbedingungen, um zu keimen, zu wachsen, zu florieren. Damit Teams und Unternehmen sich selbst organisieren können, sollten einerseits bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein und andererseits auf verschiedenen Ebenen gleichzeitig eine Veränderung angegangen werden.
Unternehmenskultur für agile Teams:
Vertrauenskultur: innerhalb eines vorgegebenen Rahmens können die Mitarbeitenden eigenverantwortlich entscheiden. Entscheidungen werden schneller getroffen und mit dem Vertrauen, das Mitarbeitenden entgegengebracht wird, steigt auch deren Motivation.
Fehlerkultur: weg vom Suchen nach einem Schuldigen hin zu einem Fehlerbewusstsein, der Fehlerakzeptanz, einer neutralen Fehlerkommunikation, Sanktionsfreiheit, einer gemeinsamen Fehleranalyse und der Veränderung von Verhalten und Umständen.
Feedback-Kultur: Feedback wertschätzend zu geben unterstützt die Entwicklung von Personen, Teams und der Organisation, denn auch Unternehmen haben ihr eigenen "blinden Flecken".
Es sollte höchste Transparenz in Entscheidungen und Prozessen vorhanden sein.
Führungskultur für agile Teams:
Entwicklung eines klaren Führungsleitbildes mit konkreten Verhaltensmustern: die Führungskraft wird mehr Teamentwickler*in und hat eine koordinierende und moderierende Rolle
Kultur des Machens und Dinge-Voranbringens: als Führungskraft werden Ziele verkörpert und eine Vernetzung vorangetrieben. So werden Silos aufgebrochen und Wissen geteilt.
Gemeinsame Weiterbildung (Teamworkshops) in der Interaktion von Führungskraft und Team in Fragen der Zusammenarbeit, Führung und der fachlichen Spielräume.
Mitarbeiterkompetenzen wie Kommunikation sollten gestärkt werden.
Sinn und Zweck der Aufgaben müssen im Team verstanden sein.
Mentale Gesundheit:
Ein Umfeld, in dem alle zur Höchstform auflaufen können: klare Regeln in der Zusammenarbeit schaffen Sicherheit (Psychologische Sicherheit)
Um selbstbestimmt und selbstwirksam arbeiten zu können, müssen Menschen psychisch fit sein und Emotionen gut regulieren können. Dies gilt für die Mitarbeitenden genauso wie für die Führungskräfte. Für letztere ist es oft besonders herausfordernd, loszulassen, denn innere Stimmen können sich mit unangenehmen Fragen melden, wie „Wer bin ich denn noch, wenn ich mein Team entscheiden lasse?“ oder „Bin ich der neuen Führungskultur gewachsen?“
Wichtig erscheint mir auch der Hinweis, dass Hierarchien und selbstorganisiertes Arbeiten per se kein Widerspruch sind. Selbstorganisiertes Arbeiten kann auch in Strukturen mit hierarchischer Führung funktionieren. Jede Führungskraft muss für sich entscheiden, welcher Grad an selbstorganisiertem und eigenverantwortlichem Arbeiten für ihren Bereich geeignet ist.
„Große Entwicklungen in Unternehmen kommen nie von einer Person. Sie sind das Produkt eines Teams." (Steve Jobs)
Vorteile agiler Teams
Die Vorteile agilen Arbeitens und agiler Teams ziehen sich durch das Unternehmen ebenso wie durch diesen Blogbeitrag. Hier noch einmal auf einen Blick zusammengefasst:
Agile Teams sind flexibel und schnell.
Sie arbeiten effizient und autark, lange Feedbackschleifen und stockende Workflows gehören der Vergangenheit an und belasten das Unternehmen nicht weiter.
Die Mitarbeiter sind motivierter, da sie in Entscheidungsprozesse eingebunden sind und den Sinn und Zweck hinter ihrer Arbeit nicht nur kennen, sondern auch tragen.
Durch die geteilte Verantwortung werden Optimierungsansätze im Unternehmen schneller sichtbar – und effizienter umsetzbar.
Nachteile agiler Teams
Wie bei allen Dingen, kommt es auch bei der agilen Methodik und bei agilen Teams auf das richtige Maß an. Zu große Freiräume und Selbstorganisation können zu einer Überlastung der Organisation führen. Bei Teams, die sich in ihrer Zusammensetzung häufig verändern, braucht es immer wieder eine neue Orientierungsphase, was für die Teammitglieder anstrengend und belastend sein kann.
Wie oben bereits erwähnt, richtet sich der Grad der Selbstorganisation immer nach dem Unternehmen und den individuellen Anforderungen. Agil ist nicht gleich agil, sondern kann und sollte flexibel an die Bedürfnisse Ihrer Organisation angepasst werden, damit alle davon profitieren. Als Agile Coach helfe ich Ihnen gerne dabei, genau diese Balance zu finden.
Fazit:
In der VUKA-Welt werden immer häufiger selbstorganisierte Teams gegründet, um den komplexen und dynamischen Herausforderungen des Marktes begegnen zu können. Es gibt drei Ebenen des selbstorganisierten Arbeitens und jede Führungskraft muss für Ihr Team und Ihr Unternehmen entscheiden, wie hoch der Grad der Selbstorganisation sein soll und muss, um effizient arbeiten zu können. Nichts ist in Stein gemeißelt und das darf es heutzutage auch nicht mehr sein.
Sie benötigen eine Beratung oder ein Training zum Thema selbstorganisiertes Arbeiten oder agilen Themen? Dann kontaktieren sie mich hier für ein unverbindliches Kennenlerngespräch.
Als Agile Coach unterstütze ich Unternehmen und Organisationen dabei, Teams zu enablen und zu empowern. Dabei ist zunächst eine Bestandsaufnahme wichtig – wo steht das Team jetzt? Wieviel Agilität und Selbstorganisation ist gewünscht? Und warum? Was wären die Konsequenzen von erhöhter Selbstorganisation der einzelnen Teams? Trägt die Organisation diese Konsequenzen aktuell schon? Diese und weitere Fragen sind dabei im Gespräch mit meinen Kunden zentral. Die Interventionen reichen von individuellen Trainings über Team-Coaching bis hin zu kompakten Organisationsentwicklungsprozessen.
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