Veränderungen souverän führen mit dem 8 Stufen Modell von John Kotter
Das Change-Management-Modell nach Kotter (auch 8-Stufen-Modell genannt) wurde in den 1990er-Jahren entwickelt und ist noch heute relevant. Insbesondere deshalb, weil es die Menschen, in diesem Fall vor allem die Mitarbeitenden, und die Unternehmenskultur ins Zentrum des Wandels stellt. Das brauchen wir heute mehr denn je. Als Coach und Beraterin erlebe ich immer wieder, das dringend benötigte Veränderungen in Unternehmen und Organisationen, wenn überhaupt, dann nur sehr zögerlich angegangen werden. Der Grund dafür ist vor allem die Befürchtung von Gegenwehr aus der eigenen Mannschaft. Genau hier hilft das 8-Stufen-Modell.
John P. Kotter forschte und unterrichtete jahrelang an der Harvard Business School und baute sein Change-Management-Modell basierend auf seinen Beobachtungen der Veränderungsvorhaben einer Vielzahl von Unternehmen auf. Dabei fand er heraus, dass die meisten Change-Vorhaben immer wieder aufgrund acht wiederkehrender Fehler scheitern. Für jeden dieser Fehlgriffe ersann Kotter eine Lösung: 8 Fehler, 8 Lösungen, das 8-Stufen-Modell war geboren. 1996 veröffentlichte er seine Ergebnisse erstmals in dem Fachbuch „Leading Change“. Auf Deutsch erschien das Buch zwei Jahre später unter dem eingängigen Namen „Chaos, Wandel, Führung“.
In diesem Blogbeitrag erfahren Sie, wie Ihnen Kotters Change-Modell helfen kann, wenn Sie sich als Führungskraft in einer ähnlichen Situation wiederfinden: Change ist nötig, die Umsetzung schwierig.
Die 8 Stufen des Change-Modells von Kotter im Detail
Die folgenden acht Stufen müssen Sie laut Kotter als Führungskraft aktiv begleiten – und Sie dürfen keine einzige überspringen, wenn Ihr Veränderungsvorhaben von Erfolg gekrönt sein soll. Schauen wir uns an, was das im Einzelnen bedeutet:
Stufe 1: Dringlichkeit bewusst machen (Create a sense of urgency)
Kotter fand schnell heraus, dass die meisten Change-Vorhaben scheitern, bevor sie richtig angefangen haben. Warum? Weil niemand versteht, warum sich überhaupt etwas ändern soll (oder vielfach auch ändern muss). Das menschliche Gehirn ist evolutionär darauf ausgerichtet, in der Routine und im Bekannten zu bleiben, das verbraucht weniger Energie und ist somit ressourcenschonender. Wir brauchen also einen wirklich guten Grund, um etwas zu ändern: Sei es die Joggingrunde im Park vor der Arbeit oder die Integration neuer Produktlinien im Konzern. Wenn wir nicht wissen, warum etwas passieren muss, wird es nicht passieren. Bisher ging es ja eben auch so ...
Und selbst, wenn wir rational verstehen, dass Veränderung hermuss, ist sie noch zum Scheitern verurteilt, wenn wir es emotional nicht fühlen. Ansonsten gäbe es wohl keine Neujahrsvorsätze von vor fünf Jahren mehr (Sie wollen neue Gewohnheiten etablieren? Dann hilft dieser Blogbeitrag Ihnen dabei.)
Die Dringlichkeit einer Veränderung muss also sehr klar aufgezeigt und kommuniziert werden. Analysen der Marktsituation, anschauliche Prognosen und Wettbewerbsbeobachtungen – alles, was entweder eine große Krise oder große Chancen aufzeigt, kann und soll hier verwertet werden.
Stufe 2: Führungskoalition aufbauen (Create a powerful coalition)
Als Nächstes geht es darum, Schlüsselfiguren um sich zu scharen, die die Dringlichkeit ebenso wahrnehmen, wie Sie selbst. Sie brauchen ein starkes Team, dass die Veränderung vorantreibt und nicht lockerlässt. Dafür ist es nicht unbedingt notwendig, dass dieses Führungsteam lediglich aus Führungskräften besteht, es sollten allerdings Mitarbeiter sein, die ein gewisses Standing, eine Autorität und Strahlkraft innerhalb des Unternehmens besitzen, damit sie andere motivieren und mitziehen können. Am besten stellen Sie Ihr Team außerdem aus verschiedenen Unternehmensbereichen zusammen.
Stufe 3: Vision und strategische Maßnahmen entwickeln (Form a strategic vision and initiatives)
Wer nicht weiß, wohin er segeln möchte, für den stehen die Winde immer ungünstig. Das bedeutet, jeder Wandel benötigt Maßnahmen, die sich je nach Ziel natürlich verändern. Und um das Ziel zu kennen, brauchen Sie eine Vision. Was ist nach dem Change anders und besser als vorher? Wohin genau segeln Sie? Erst, wenn Sie das wissen – und kommunizieren – können Sie auf Verständnis und Motivation bei den Mitarbeitern hoffen.
Stufe 4: Vision kommunizieren (Entlist a volunteer army)
Ich habe es im letzten Absatz schon kurz angerissen: Es bringt nichts, wenn lediglich Sie selbst die Vision kennen und ihr entgegenstreben. Für Ihr Team muss dasselbe gelten. Sie und die Mitglieder Ihrer Führungskoalition sollten also zu jedem Zeitpunkt auf eine offene und transparente Kommunikation setzen, damit alle mit Freude und Sinn am Ball bleiben.
Stufe 5: Hindernisse aus dem Weg räumen (Enable action by removing barriers)
Der bisherige Weg ist der bekannte – und er ist nicht allein. Es gibt Workflows, Software, Arbeitsplatzbeschreibungen und viele andere Dinge, die vermutlich perfekt auf den Status Quo ausgerichtet sind. Und das bedeutet im Umkehrschluss, für den neuen Weg sind sie nicht Mittel der Wahl, sondern vielleicht sogar hinderlich. Wenn Sie den Change vorantreiben wollen, müssen Sie sicherstellen, dass die Umgebung diesen unterstützt.
In dieser Phase ist es sinnvoll, sich einen externen Berater dazuzuholen, der Prozesse kritisch durchleuchtet und Alternativen aufzeigt. Bei Bedarf stehe ich Ihnen natürlich gerne mit meiner Expertise zur Verfügung.
Stufe 6: Schnelle Erfolge schaffen (Generate short-term wins)
Change-Vorhaben können sich über einen langen Zeitraum strecken. Bei großen Unternehmen oder tiefgreifenden Veränderungen sogar über mehrere Jahre. So lang hält die größte Motivation nicht durch. Damit auch eine Durststrecke genug Erfrischung bereithält, sollten Sie Etappensiege und kurzfristige Erfolge forcieren und feiern. Insbesondere zu Beginn des Projekts muss das Team Fortschritte sehen, damit sie wissen, wofür sie es tun.
Stufe 7: Veränderung weiter antreiben (Sustain accelaration)
Damit die ersten Erfolge nicht die letzten werden, müssen Sie den Druck zur Veränderung aufrechterhalten. Das ist ein kritischer Punkt im Change-Management, denn es ist nur zu leicht, sich von den initialen Errungenschaften blenden zu lassen. Eine Verbesserung wird sichtbar und Manager sowie Führungskräfte glauben, die Veränderung sei bereits erfolgreich etabliert. Bleiben Sie aufmerksam und treiben Sie den Change mit der gleichen Ernsthaftigkeit voran wie zu Beginn.
Stufe 8: Veränderungen in der Kultur verankern (Institute Change)
Als letzten Schritt gilt es, die Veränderung nachhaltig in der Unternehmenskultur zu verankern. Nachhaltig bedeutet auch, bei der Auswahl künftiger Führungskräfte darauf zu achten, dass sie die neuen Wege selbstverständlich vorantreiben und nicht in alte Muster zurückfallen. Erst wenn das neue Vorgehen allen Mitarbeitern in Fleisch und Blut übergegangen ist, ist das Kotter-Change-Management ein Erfolg.
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Praxisbeispiel zur Veranschaulichung der Anwendung
Damit die Stufen für Sie greifbar werden, hier ein prägnantes Beispiel dafür, wie das 8-Stufen-Modell – in der Praxis angewandt – aussehen kann:
Dringlichkeit
Die Geschäftsführung eines KMU aus der Branche Maschinenbau organisiert eine Reihe von Meetings mit den Abteilungsleitern und erläutert die Gründe für die digitale Transformation. Es wird betont, dass das Unternehmen ohne Veränderung Marktanteile verlieren könnte. Die Geschäftsführung zeigt die wachsende Kluft zwischen den eigenen Prozessen und den Anforderungen des Marktes auf. Zahlen, Daten und Fakten über Markttrends, Wettbewerber und Kundenanforderungen werden vorgestellt.
Führungskoalition
Ein Transformationsteam wird gebildet, bestehend aus dem Geschäftsführer, dem IT-Leiter, der Leiterin der Produktionsabteilung sowie dem Vertriebsleiter. Diese Führungskoalition bringt eine Vielzahl von Perspektiven ein und sorgt dafür, dass der Wandel in allen wichtigen Abteilungen unterstützt wird.
Vision und Strategie
Die Führungskoalition entwickelt eine klare Vision für die digitale Transformation: „Das Ziel ist es, die Effizienz der Produktionsprozesse um 25 Prozent zu steigern, die Kundenzufriedenheit durch schnellere Kommunikation zu verbessern und innerhalb von zwei Jahren papierlos zu arbeiten.“ Neben dieser Vision werden auch konkrete Meilensteine und Strategien zur Umsetzung der Digitalisierung entwickelt. Diese umfassen den Einsatz eines ERP-Systems, die Digitalisierung des Kundenservices und die Einführung von Tablets in der Produktion.
Vision kommunizieren
In einer Betriebsversammlung werden alle Mitarbeiter über die bevorstehenden Veränderungen informiert. Die Geschäftsführung nutzt jede Gelegenheit, um die Bedeutung der digitalen Transformation zu betonen – in Besprechungen, in internen Newslettern und auf der Unternehmenswebsite.
Hindernisse entfernen
Es wird schnell klar, dass einige ältere Mitarbeiter in der Produktion der Einführung neuer Technologien skeptisch gegenüberstehen. Um diese Barriere zu überwinden, organisiert das Unternehmen Schulungen und Weiterbildungen. Zudem wird ein „Change Support“-Team aufgestellt, das in jeder Abteilung Unterstützung bietet und Bedenken entgegennimmt. Gleichzeitig werden Prozesse, die die Digitalisierung behindern, identifiziert und optimiert. Dazu gehört beispielsweise die Umstellung der papierbasierten Genehmigungsverfahren.
Kurzfristige Erfolge
Innerhalb der ersten sechs Monate wird erfolgreich ein ERP-System eingeführt, das die Auftragsabwicklung und Lagerverwaltung automatisiert. Dieser Erfolg wird intern gefeiert, und die Geschäftsführung hebt hervor, dass die ersten positiven Effekte der Digitalisierung bereits spürbar sind – sowohl in Bezug auf die Produktivität als auch auf die Zufriedenheit der Kunden.
Erfolge konsolidieren und weiterer Wandel
Das Unternehmen plant die Einführung einer digitalen Kommunikationsplattform für den Kundenservice. Parallel dazu wird die Produktion weiter digitalisiert, indem mobile Endgeräte und Sensoren in den Maschinen installiert werden, um Wartungsarbeiten proaktiv zu planen.
Veränderungen verankern
Prozesse werden „digital first“ gedacht und das Prinzip der kontinuierlichen Verbesserung wird etabliert. Schulungen und Workshops zur Digitalisierung werden regelmäßig durchgeführt, und es werden neue Führungsrichtlinien entwickelt, die auf Agilität und Technologiekompetenz abzielen.
Fazit: Das Change-Modell von Kotter
Obwohl es mittlerweile fast 30 Jahre alt ist, bleibt das Kotter-Change-Modell relevant und hat sich in der Praxis oft bewiesen. Da wir uns heute aber in einer viel schnelllebigeren und vernetzteren Welt befinden als noch in den 90ern, wird das Modell oft dafür kritisiert, nicht flexibel genug zu sein. Die Stufen können nicht in jedem Unternehmen brav der Reihe nach abgearbeitet werden, eigentlich müsste vieles gleichzeitig und iterativ passieren.
Deswegen wird das 8-Stufen-Modell heute häufig als Basis genommen, um darauf aufzusatteln. Beispielsweise mit agilen Methoden und Vorgehensweisen, die eine flexiblere Herangehensweise erlauben. Außerdem wird zunehmend ein Fokus auf die Mitarbeiter gelegt, noch mehr als das Kotter-Modell es tut, die den Change vom ersten bis zum letzten Schritt mittragen sollten.
In Ihrem Unternehmen steht ein Change-Prozess an? Ich stehe Ihnen gerne zur Seite!
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